Snooker, Dschungel und Fische im Büro -

Google macht vor, wie man Mitarbeiter inspiriert

 

Wer im Dunkeln durch das Hürlimann- Areal streift, dem fallen die roten, blauen und gelben Decken des östlichen Googlebaus von ins Auge. Versetzte weisse Rhomben und Leuchtpanele verstärken den verspielten Eindruck von aussen. Wenn man den Film Prakti.com (Originaltitel „The Internship“) gesehen hat, mag man sich an eine stockwerkübergreifende Rutschbahn und Feuerwehrstangen, an bunte Farben an Wänden und Möbeln und Ruheoasen in lustigen Formen erinnern. „Die Realität ist noch extremer!“, warnt scherzhaft ein Mitarbeiter in der Eingangshalle.

 

Die digitale Rezeption

 

Bereits die Anmeldung als Besucher an der Rezeption verlangt Eigeninitiative und ist innovativ. An einem grossem Bildschirm beim Rezeptionstresen wird der Besucher aufgefordert, seinen eigenen Namen und den seines Gastgebers einzugeben. Im Gegenzug erhält der Mitarbeiter eine Email mit der Meldung, der Gast sei da, und ein Schlitz spuckt einen persönlichen Badge mit QR Code und Namen aus. Ein Bildschirm zeigt schnell eine wechselnde Projektion der gerade bearbeiteten Google-Suchanfragen.

 

Eine Reise durch die Bürolandschaften

 

Dem bezeichnenden Snookertisch begegnet man zigfach auf der Reise durch die Bürolandschaften von Google. Ausrangierte Gondeln mit Festnetztelefonen bevölkern die Gemeinschaftszonen. Igluförmige Konstruktionen mit Fenstern und coconartige Holzbauten sind Rückzugsorte, in denen vereinzelt in Ruhe gearbeitet wird. In der altenglischen Bibliothek wird geloungt und diskutiert. Eine Frau liegt im Halbdunkel in einer Koje zwischen dicken Kissen und schläft tief. Im Spielraum auf der Bühne spielt jemand Schlagzeug; auf dem Boden davor hockt einer und tippt auf seinem Laptop. Tischtennistische, Tischfussball und Flipperkästen daneben vermitteln eher den Eindruck eines Partyraums mit Musikbühne als eines Pausenortes für Mitarbeiter. Fischaquarien zieren den dunklen Ruheraum.  In der sinnlichen Spa-Zone werden Massagen angeboten. Konzentriert gearbeitet wird im arabischen Teeraum mit Wasserpfeife. In der Dschungel-Lounge sitzen die Mitarbeiter versteckt hinter zimmerhohen, dichten Pflanzen. Sogar ein kleinen Inhaus-Coop mit Bestellung durch Scannen und Lieferservice steht zur Verfügung. Es scheint, dass die einzigen Verrücktheiten der Architekten, die nicht übernommen wurden, die echten Vögel im Grossraumbüro und stockwerkdurchstossende Bäume sind. 

 

Zentrale Elemente in der Grundrissgestaltung sind die Micro- und Macrokitchens, die an verschiedenen Orten die teilweise mäandernde Bürolandschaft prägen. Hier sind Kücheneinrichtungen mit langen Tischen und Stühlen zu Wohnküchen kombiniert, mancherorts erweitert mit Snooker- und Tischfussballtischen oder einer Legoecke. Essen und Getränke inhaus stellt Google seinen Mitarbeitern gratis zur Verfügung. In einer Kantine im Erdgeschoss kommt die Rutschbahn hinunter. Die Googler, die sie bereits kennen, benutzen sie allerdings kaum, die Gäste würden gern, dürfen aus rechtlichen Gründen aber nicht. Die Feuerwehrstangen kommen wohl öfter zum Einsatz. 

 

Googliness als Konzept

 

Was steckt hinter diesem verspielten Innenausbaukonzept? „Googliness“ ist die Antwort- die zentrale Philosophie des Unternehmens, die ihren Weg bis in die Innenarchitektur und Möblierung gefunden hat. Google hat diesen Begriff geprägt, eine Definition davon findet man auch nicht auf Wikipedia. Mitarbeiter müssen „googley“ sein, um bei Google bestehen zu können. Dies umfasst diverse Aspekte, beispielsweise das Richtige tun, proaktiv sein, nach ethischen Grundsätzen handeln und sich nicht besser fühlen als andere, während man sich um herausragende Leistungen bemüht. Eine Essenz davon wurde in den Code of Conduct gegossen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass trotz des grossen Freizeitangebots am Arbeitsplatz, die Googler dennoch sehr produktiv und arbeitssam sind, was durch ein komplexes Controlling-System sichergestellt wird.

 

Die breite Palette an Spielen, Gadgets und Spezialräumen soll die Mitarbeiter anregen und an die Firma binden. David Radcliffe, Vicepresident von Googles Immobilienabteilung gibt sein Statement: „Wir möchten Gelegenheiten schaffen, damit unsere Mitarbeiter Ideen haben und sich zu anderen umdrehen und sagen: „Was denkst Du dazu?“ Die Googlers sollen sich am Arbeitsplatz wohl fühlen, bei Bedarf entspannen, sogar schlafen, und sich austauschen mit anderen, mit denen man rein projektbezogen nie ins Gespräch käme. Typische Situationen, die entstehen können sind, dass ein Mitarbeiter einige Kugeln an einem der Snookertische stösst, um seinen Kopf zu klären. Ein oder zwei weitere stossen dazu und ein Gespräch über die Projekte entspinnt sich: „Woran arbeitest Du gerade?“, „Mich beschäftigt grade folgende Problemstellung:...“ und so werden Lösungsansätze vorangetrieben oder mit Ideen jongliert. 

Die Räume werden rege genutzt, je nach Tätigkeit muss nicht am Arbeitsplatz gearbeitet werden. Man nimmt den Laptop und kann im Dschungel, in der Skylounge oder in einem Cocon stehend, sitzend oder liegend denken und tippen. 

 

Ein Rückblick auf die Anfänge 

 

Ein Rückblick auf die Anfänge zeigt, dass diese Formen von Mitarbeitermotivation in dieser Form sich über die Jahre entwickelt hat. Die ersten Google- Büros in Mountain View bei San Francisco waren nüchtern und billig ausgebaut. Das erste Konzept in Richtung Googliness wurde verfolgt, indem man versuchte, die Natur mit grünen Teppichen und vielen echten Pflanzen ins Gebäudeinnere zu holen. Beim Um- und Ausbau des Google-Komplexes, des sogenannten Googleplex, um 2005 wurden Freizeitelemente wie zwei  Schwimmbäder, eine Turnhalle und achtzehn Kantinen mit verschiedener Auswahl nebst Nachbildungen des SpaceShipOne und eines riesigen Dinosaurierskeletts integriert. Dort sind auch die ersten Spezialräume und Gadgets wie Feuerwehrstangen und Rutschbahn zu finden. Das Hauptgebäude galt lange Zeit als Vorbild für weitere Ausbauten und Einrichtungen von Google-Büros weltweit. Seit das erste Zürcher Büro realisiert wurde, hat dies eine europäische Vorreiterfunktion hinsichtlich vieler neuer Raumideen inne. (Britta Vodicka)