Pflanzen und Holz im Design – Zwei sehenswerte Ausstellungen zum Umgang mit den Ressourcen
Zwei aktuelle Ausstellungen in der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) wollen auf eindrucksvolle Weise Bewusstsein schaffen für die Rolle von Design im Umgang mit Ressourcen und Umwelt. Während «Cambio – Baum, Holz, Mensch» die Materialität von Holz und die Holzindustrie wissenschaftlich sowie haptisch tiefgründig beleuchtet, so erforscht «Plant Fever« auf kreative und witzige Weise das Potenzial der Pflanzen für Produktentwicklung und Design zugunsten eines respektvolleren Umgangs mit der Natur.
Cambio – Baum, Holz, Mensch
Die Ausstellung «Cambio» entwickelte das Designerduo Formafantasma für die Serpentine Galleries in London, wo die Ausstellung im letzten Jahr – Dank Corona teilweise online - zu besichtigen war. Die italienischen Künstler Andrea Trimarchi und Simone Farresin erforschen in ihrem Atelier in Amsterdam ökologische und politische Fragestellungen ihrer Disziplin, seitdem sie ihr gemeinsames Interesse an Produktdesign während ihres Masterstudiums an der Design Academy Eindhoven entdeckt hatten.
Das lateinische Wort Kambium bedeutet Umschwung, Wandel, und Kambium ist auch der Name der Membran, welche die Rinde vom eigentlichen Holz des Baumes trennt. An ihrer inneren Seite wächst neues Holz in Form von Jahrringen nach, an ihrer äusseren neues Rindenmaterial. Für die Ausstellung folgen die Designer den Spuren des Holzes über die historische Entwicklung der globalen Baumwirtschaft bis hin zur Bedeutung von Wald vor dem Hintergrund des Klimawandels.
Der Baumhandel verbreitete sich in grossem Masse im 19. Jahrhundert als Folge der Kolonialisierung und hat sich seither zu einer der mächtigsten Industrien entwickelt, sowohl bezüglich des Umsatzes als auch in Bezug auf seinen Einfluss auf die Biospähre der Erde. Seine Regulierung ist schwierig. Die Ausstellung zeigt die Tragweite und Verantwortung des Handelns von Designern und Holzindustrie auf.
Zu sehen sind ganz unterschiedliche Holzmuster, Wachstums- und Anwendungsformen wie Musikinstrumente, Hocker und Papier. Ein massiver Baumstamm, an dem die Übergänge zwischen Holz, Kambium und Rinde gut ablesbar sind, regt an zum Berühren. Geschichtete Holzstücke mit Rinde bilden ein raumtrennendes Element. Die Designer stellten in Zusammenarbeit mit Experten diverse Untersuchungen an, deren Herangehensweise und Ergebnisse dokumentiert sind: Beispielsweise zur Fragestellung, inwiefern die Orte der Papierherstellung mit den Herkunftsorten der Holzsorte für das jeweilige Papier übereinstimmen. Zu diesem Zweck trugen sie verschiedene Ausgaben von Darwins Buch «Die Entstehung der Arten», die in unterschiedlichen Ländern gedruckt wurden, zusammen.
Durch forensische Analysen der in einem Regal ausgestellten Objekte wurden die betreffenden Holzarten analysiert, und so das komplexe Netzwerk von illegalem Holzhandel offengelegt werden. Erkenntnisse zur Speicherfähigkeit von Kohlendioxid in Bezug auf die Dichte verschiedener Hölzer und Nutzungsdauer werden anhand einer Installation von mehreren Hockern eines Ikea-Modells aus verschiedenen Holzarten veranschaulicht.
Der Film auf der Leinwand im Zentrum der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Verständnis von Bäumen als lebendige Organismen und führt überraschende und unerwartete Vergleiche gegenüber dem Menschen in der Ich-Form an, welche zum Nachdenken anregen (frei übersetzt aus dem Englischen): «Ich hören nie auf zu wachsen. Daher forme ich meinen Körper ständig neu. Ich bin der Designer meines Körpers...Mein Körper ist mehrjährig: Manche Teile können 700 Jahre alt sein, die jüngsten nur wenige Monate. In meinem Körper gibt es totes und lebendiges Material nebeneinander.»
Plant Fever, Design aus der Pflanzenperspektive
Auch die Ausstellung «Plant Fever» regt zum Nachdenken über die Rolle des Designers im Zusammenhang mit dem Konsum natürlicher Ressourcen an. Die Autoren der Ausstellung studio d-o-t-s in Zusammenarbeit mit dem belgischen Museum CID Grand-Hornu möchten die Beziehung des Menschen zu Pflanzen neugestalten und erforschen das Potenzial von Pflanzen als Ressourcen, Haustiere und Verbündete des Menschen.
Die Ausstellung beginnt mit neuen Produkten, welche aus Pflanzenstoffen hergestellt wurden: Leuchten aus einem Abfallprodukt der Kaffeebohnenaufbereitung, Pumps aus Hanffasern oder kompostierbare Sneakers. Besonders eindrücklich ist das modische, technoid anmutende Kostüm aus Pinatex, dem man keinerlei pflanzliche Herkunft ansieht. Gewagt mutet das Menu aus Buchstaben-Schmuckschildkrötensuppe, gebratenem Waschbär, Staudenknöterich und einer Creme von Indischem Springkraut an. Dieses soll aufzeigen, wie die Eindämmung invasiver Spezies, welche unsere heimische Artenvielfalt bedrohen, ökonomisch nutzbar gemacht werden könnte.
Spezifisch für bestimmte Arten entworfene Gefässe und Töpfe gehen auf die individuellen Ausprägungen einzelner Pflanzen ein. Wunderbar ist die Überlegung, inwiefern Technologie den Pflanzen dienen könnte: Ein Roboter auf Rollen wurde derart konzipiert, dass er einer Flamingopflanze hilft, Licht zu finden. Dies tut er, indem er bioelektrochemische Signale nutzt, die die Pflanze auf natürliche Weise durch ihr Gewebe hindurch aussendet.
Spannend auch die Vorstellung, Pflanzen so modifizieren zu können, dass sie noch mehr Kohlendioxid absorbieren und durch einen Farbwechsel giftige Gase in der Luft anzeigen würden – mit dem Fazit, der Mensch müsste die Pflanze am Leben erhalten, um selbst überleben zu können.
Besonders witzig und frech dagegen ist die Erfindung von Sexspielzeugen, welche Pflanzen bei ihren Fortpflanzungsstrategien unterstützen, zu deren Erschwernis der Mensch beigetragen hat, wie beispielsweise die Pollenübertragung beim Alpenveilchen: Die Pflanzen hatten sich gemeinsam mit einer Bienenart entwickelt, die die Blüte mit einer bestimmten Frequenz schüttelt, welche besonders grosse Mengen der Pollen aus der Blüte freisetzt. Diese Biene ist leider ausgestorben, und die vorgeschlagene Lösung besteht aus einem vibrierenden Gehäuse mit Sensor («Vibrator»), welcher die Blüte umfasst. Kommt ein Insekt an die Blüte, so schüttelt das Gehäuse exakt mit der Frequenz, welche die Pollen für das Insekt freigibt, damit die Übertragung stattfinden kann.
Das Manifest für ein pflanzenzentriertes Design gibt dem inspirierten Besucher sieben konkrete Handlungsempfehlungen auf den Weg.
Beide Ausstellungen lohnen unbedingt einen Besuch und können gut kombiniert werden: «Cambio – Baum, Holz, Mensch» bis 8. Mai 2022, «Plant Fever» bis 3. April 2022.