Placemaking – belebte und beliebte Orte mit Mint
Was tun mit schwer vermietbaren Einkaufszentren, unrentablen Warenhäusern oder stagnierenden Fachmärkten? Retail-Immobilien erfolgreich zu führen stellt heute eine grosse Herausforderung dar. Ein blosses Aufhübschen der Flächen tut’s nicht mehr, kreative neue Konzepte sind gesucht. Menschen möchten sowohl ihre Arbeits- wie auch ihre Freizeit an lebenswerten Orten verbringen, welche vielfältige Bedürfnisse abdecken. Genau hier schliesst der Trend Placemaking in der Immobilienentwicklung an. Mint Architecture praktiziert es seit Jahren. Der Vorteil: höchste Wirtschaftlichkeit für die Immobilie gepaart mit höchstem Wert für den Nutzer. Das Architekturbüro hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit neuen Nutzungskonzepten und durch das konsequente Umsetzen der Customer Journey problematische Immobilien neu zu positionieren – und dies mit grossem Erfolg. Ein Gespräch mit Mint-Partner Kees van Elst über Marktpotenziale und Strategien von Mixed-Use-Objekten, Inspirationsquellen und den nächsten Schritt für die ESG-Standards.
Ihr nennt Euch Placemaker. Was versteht Ihr darunter?
Aus Mixed-Use-Immobilien, die einen strukturellen Leerstand aufweisen, entwickeln wir belebte und beliebte Orte, die ihr wirtschaftliches Potenzial nachhaltig maximal ausschöpfen können. Wir positionieren die Liegenschaften als Produkte. Das schaffen wir, indem wir den Menschen, konkret den Endnutzer ins Zentrum stellen. Wir folgen der Customer Journey eines potenziellen Kunden oder Angestellten, und gestalten diese konsequent. Dabei fragen wir uns: Wie tickt dieser Mensch, was möchte er erleben, wie bewegt er sich durch den Raum, und wie können wir das beeinflussen? So begleiten wir ihn Schritt für Schritt durch das Gebäude.
Welche Kompetenz bringt Ihr als Architekturbüro hierfür mit?
Wir orientieren uns mit unserer Architektur an einem Nutzungskonzept mit Fokus auf das bauliche Potenzial der Liegenschaft. Dabei haben wir gemerkt, dass dort, wo grössere Leerstände über längere Zeit vorhanden sind, oft kein überzeugender Produkt-Gedanke, d.h. kein schlagkräftiges Nutzungskonzept vorhanden ist. Diese Kompetenz haben wir bei uns aufgebaut, um unsere Kunden optimal beraten zu können. In unserer Strategie-Abteilung gibt es Personen aus verschiedenen Disziplinen, die sich intensiv mit Marktforschung auseinandersetzen. Dafür führen wir Workshops zur Nutzungskonzeption (Concepting) mit Vermarktern und Marktanalysten durch.
Neupositionierung des Einkaufszentrums Rebgäss in Basel angegangen?
Das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum verlor nach dem Auszug von Jelmoli in den 90er Jahren an Glanz und Attraktivität. Die Frage an uns war: Wie können wir das Center für die nächsten zwanzig Jahre positionieren? Wir gingen davon aus, dass wir hier einen effizienten zentralen Standort mit Parkgarage im Haus haben, der zu seinem Erfolg weder Luxusmarken noch Laufkundschaft benötigt. Als Destinationsort genügen drei grosse Retailer, die ihre eigene Kundschaft generieren. Dabei haben wir eine ganz einfache Struktur hineingebracht: Die zentrale Mall wurde an eine Seite der Liegenschaft verschoben, damit gut nutzbare zusammenhängende Flächen auf jedem Geschoss entstehen. Das klingt einfach, war aber ein grosser Eingriff in Statik und Haustechnik. Auf das Dachgeschoss konnten wir sechs Wohnungen aufstocken, die zusätzliches Leben und Erträge an den Ort bringen.
Wo holt Ihr Euch Inspirationen für Eure Konzepte?
Unsere Inspirationen holen wir uns von überall her, wir schauen auch über unsere Grenzen hinweg. In den USA und England ist man schneller bereit, seine Nutzungsstrategie zu überdenken. Es gibt die Redewendung «Learning von Las Vegas», denn nach fünf Jahren muss ein Hotelbesitzer am Strip von Las Vegas sein Hotel umbauen, sonst läuft das Geschäft nicht mehr. Dort gibt es kein Hotel, das länger als zehn Jahre dasselbe leistet.
Wir sind ausserdem beteiligt an der deutschen Initiative New Life, welche ein White Paper für das neue Leben von Warenhäusern erarbeitet hat. Hieraus ist eine Round Table-Serie mit Warenhaus-Investoren und Experten entstanden, die intensiv Knowhow austauschen und Lösungen suchen rund um die Themen Ökonomie, Branding, Architektur und Verantwortung.
Freizeitnutzungen wie im «Wunder von Rümlang» zum Beispiel?
(Lacht) Das Zentrum Riedmatt in Rümlang war ein Shoppingcenter am falschen Ort mit dem falschen Mietermix. Zum Glück gab es einen Coop Supermarkt und einen Coop Bau + Hobby im Erdgeschoss. Der Eigentümer wollte das Zentrum konventionell renovieren, um es als Solches attraktiver zu machen, keiner hatte die Strategie Shoppingcenter in Frage gestellt. Daraufhin schlugen wir dem Eigentümer eine die Strategie vor, ein Freizeit-Cluster in den Obergeschossen zu bilden: Trampolinhalle, Escape Rooms, Laser Game, Virtual Reality und Fitness. Ein richtig guter Freizeitmix mit einem Restaurant in der Mitte. Die Liegenschaft wurde zu einem Erfolg, an einem peripheren Standort mit schwieriger Ausgangslage.
Wo siehst Du die grösste Zukunft für Redevelopment?
Das grösste Potenzial liegt in allen Industrie- und Gewerbegebieten der 70er und 80er Jahre, welche am Ende ihres ersten Lebenszyklus sind. Diese können mit Umnutzungen, Verdichtungen und zeitgemässen Mixed-Use-Lösungen zu lebens- und liebenswerten Orten für Menschen werden. Genau darin sehen wir unsere Herausforderung.
Welches sind die Nutzungen der Zukunft in diesen Gebieten?
Kleine Cluster von Fachmärkten sind möglich, die aber an Atmosphäre und
Aufenthaltsqualität mehr bieten müssen als ausgediente Industriehallen. Die Wohnungsnot ist auch in den Suburbs angekommen. Durch Verdichtung schlummert hier noch schönes Wohnpotenzial, wodurch Redevelopment-Projekte auch wirtschaftlicher werden. Neue Wohnkonzepte wie Short-Stay könnten hier Platz finden. Der Trend geht eindeutig von Single-Use zu Mixed-Use und von Single-Tenant zu Multi-Tenant.
Hast Du ein persönliches Herzensprojekt?
Im Rahmen von ESG werden immer mehr messbare Standards definiert, anhand derer Investoren und Stakeholder ihre Projekte messen können. Dabei liegt der Fokus hauptsächlich auf dem E wie Environment, also der Umwelt, und technischen Lösungen. Mich interessiert, welche Standards wir im sozialen Bereich erreichen können, denn für nachhaltigen Erfolg steht der Nutzer im Mittelpunkt. Wenn er nicht mehr kommt, gerät das Gebäude in Schieflage. Wie können wir also sozial nachhaltige Gebäude gestalten, und wie können wir die soziale Nachhaltigkeit messen?
Dabei spielen nachhaltige Nutzungskonzepte eine grosse Rolle. Aber auch Räume oder Dienstleistungen, die direkt erst einmal keinen Ertrag abwerfen, aber durch ihr Angebot einen hohen Nutzen für den Menschen, und somit umso höhere Erträge für die Mietflächen generieren. Dieser Mehrwert wird von manchem Eigentümer bis heute noch in Frage gestellt. Dabei trägt er dazu bei, Liegenschaften zu unverwechselbaren Produkten zu machen. Community-Aufbau und -Management sind ein wichtiger Schlüssel dazu, Co-Workings und Genossenschaften machen es vor. Dieses Konzept lässt sich auch auf die Arealentwicklung anwenden und unter dem Begriff Placemaking zusammenfassen. Langfristig attraktive Communities und damit einen nachhaltigen Asset Value schaffen - darin liegt ein grosses Potenzial.
International gibt es bereits diverse Placemaking-Bewegungen. Zurzeit sind wir in einem Kernteam daran, eine Placemaking-Plattform Schweiz aufzubauen, zusammen mit Vertretern der Universität Zürich und vielen anderen Personen aus ganz unterschiedlichen Disziplinen. Diese Plattform wird den Diskurs über die soziale Nachhaltigkeit intensivieren und ganz sicher zu noch mehr lebens- und liebenswerten Orten in der Schweiz führen.
Foto Credits: Mint Architecture AG