Das Potenzial von BIM im Wettbewerb
Die Geschichte der Projekte, welche mit BIM bearbeitet werden sollten, fing für die Architekten von Jessenvollenweider bereits vor vier Jahren an. Im Jahr 2013 gewannen sie den Wettbewerb der Stadt Basel für den Neubau des Amts für Umwelt und Energie. Für die Stadt Basel hat dieses die Bedeutung eines Leuchtturmprojekts inne. Dies begründet sich einerseits in der Photovoltaikfassade, welche mit dem bekannten Erscheinungsbild von Solarzellen bricht und sich in die steinerne Stadt einfügen möchte. Andererseits beschreitet die Stadt Basel mit dem Neubau als Pilotprojekt mit BIM neue Wege. Das 2014 gestartete Projekt geht nun in die Ausführungsphase. Der Bauherr und die Planer versuchen hier gemeinsam einen BIM-Prozess zu definieren, ihn zu leben und neue Techniken in Bezug auf BIM zu testen.
Aufwand und Nutzen von BIM
„Der Mehraufwand ist auf jeden Fall da. Aber dass es nur wenige Missverständnisse im Planungsalltag gab, stellt für uns einen grossen Mehrwert dar.“
Aufgrund ihrer auch guten Erfahrung mit BIM-Prozessen, wurden die Architekten angefragt, an einen Wettbewerb in BIM teilzunehmen, der als Output ein BIM-Modell für die Kosten-Überprüfung des Bauherrn liefern sollte, hier allerdings ohne Einbindung eines Planerteams. Danach nahmen die Architekten einen weiteren Wettbewerb teil, in welchem sie ein komplexes Raumgefüge planten. Und obwohl die Planer sich nicht direkt an BIM beteiligten, zeigte sich der Erfolg des Systems darin, dass die Kommunikation im Planerteam hervorragend war, da immer anhand des 3D Modells diskutiert wurde und dieses immer up to date war.
Ansichten, Schnitte, Visualisierungen und Virtual Reality-Filme wurden mit dem BIM-Modell praktisch als Nebenprodukte generiert.
Um das Modell optimal nutzen zu können, muss miteinander geredet werden: Was genau brauchst Du? Insofern verbessert sich auch die direkte Kommunikation unter den Beteiligten.
Der zweite grosse Nutzen, den die Architekten durch ihre Arbeit mit BIM für sich entdeckten, ist die Arbeit im sehr strukturierten System. „BIM hat verschiedene Facetten, es fängt jedoch bei einem geordneten 3D Modell und einem geordneten Planungsablauf an.“ BIM kann helfen alte eingefahrene Planungsabläufe neu zu überdenken und neu zu strukturieren. Die letzten 25 Jahre CAD-Planung haben strukturell nicht viel Neues gebracht, ausser, dass immer detaillierter und manchmal auch am Bedarf vorbei geplant wird. BIM kann hier helfen, andere Planungsgewerke besser zu verstehen, weil sie aktiv in den eigenen Planungsablauf integriert werden müssen.
Ohne eine Standardisierung geht das natürlich nicht. Diese Standardisierung birgt auch Risiken, sind sich die Architekten einig: „Es gibt eine Tendenz zum Weg mit dem kleinsten Widerstand durch BIM.“ Und dies ist ein Aspekt, der gemäss Vollenweider auch früher oder später sichtbar wird. „Die Frage ist, wie wir damit im Sinne einer Baukultur umgehen, damit es nicht zu einer architektonischen Verflachung kommt.“
„Wenn BIM von aussen an uns herangetragen wird, stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt. Früher war alles kontinuierlicher: von der Bleistiftskizze, dem direktesten Weg, die innere Vorstellung auszudrücken, direkt aufs Papier.“ Dieses Vorgehen hat die phasengerechte Detaillierung zur Folge. Wenn man sich nun bereits früh im Entwurf auf Typen und Strukturen für das 3D Modell festlegen muss, besteht die Tendenz zu einem strukturellen, standardisierten Entwurfsansatz nach dem Prinzip der Wiederholung. Somit ist ein gefährlicher Aspekt von BIM, dass es die Architektur beeinflusst, statt nur Werkzeug zu sein, um diese umzusetzen.
BIM hat noch Potenzial - wir sind noch in der Pionierphase
Überall dort, wo viele Nutzerinformationen abgebildet sein müssen, könnten 3D-Modelle mit umfangreichen Dateninhalt zum besseren Verständnis beitragen. Wenn Baugesetze in 3D abgebildet werden würden, was technisch heute möglich wäre, könnten Baulinien ganz einfach dargestellt werden und Baueingaben fehlerfreier funktionieren. „In Singapur funktionieren seit zehn Jahren Baueingaben digital. Das wäre auch hier möglich. So wären Fehlinterpretationen, welche zu Beginn entstehen, minimiert.“
Ein andere Anwendung mit Potenzial sind Wettbewerbsprogramme, beispielsweise das Raumprogramm. Wenn dieses 3D und als Datenbank aufgearbeitet würde, wären überlange, unübersichtliche Auslobungen nicht mehr nötig. Dieses Sichtbarmachen der Ansprüche würde auch eine Hierarchisierung derselben von Seiten der Bauherrschaft mit sich bringen, die Wettbewerben gut tun würde, meinen die Architekten.
Als gutes Vorbild für ein ausgeschöpftes 3D-Potenzial nennen sie das Vermessungssystem GIS, das weltweit mit Informationen in Echtzeit bestückt und genutzt werden kann, und welches eine ähnlichen Geschichtsverlauf aufweist, wie BIM es erst anfängt zu beschreiten.
Technologische Anwendungen werden heutzutage immer einfacher und intuitiver. Dieser Trend lässt Hoffnung auf noch viele innovative und selbstverständliche Anwendungen im Planungsalltag schöpfen.
Das Gespräch führte Britta Vodicka mit Professor Ingemar Vollenweider und Sven Kowalewsky von jessenvollenweider architektur ag.